Pius IX-B

Papst Pius IX.

Unfehlbar - Ue

Texte 2: Syllabus errorum

Vor dem Konzil: Päpstliche Einladung / Begleitumstände /  Diskussion / Vermischtes
Konzil der Unfehlbarkeit: Eröffnung / Majoritäten / Wut auf die Presse / Geschäftsordnungstricks / Vermischtes
Schluss der Debatte:  Der Angelpunkt / Kriegsdrohungen / Pius IX. am Ziel
Nach dem Dogma der Krieg: Kriegserklärung / Der Krieg / Das Ende des Kirchenstaates

Vorgeschichte: Der Kirchenstaat, die DDR Italiens / Pius IX.: Erst Reformator, dann Reaktionär
Texte 1: Enzyklika Quanta cura
Texte 2: Syllabus errorum
Texte 3: Die 245 katholischen Dogmen
Koran vs. Katholizismus: ein Vergleich

Syllabus errorum
oder Sammlung der von Papst Pius IX.
 in verschiedenen Äußerungen geächteten Irrtümer

Veröffentlicht zugleich mit der Enzyklika »Quanta cura«
desselben Papstes am 8. Dezember 1864

 

Kernsätze:

15. Wenn jemand behauptet, es stehe jedem Mensch frei, jene Religion anzunehmen und zu bekennen, welche er im Lichte seiner Vernunft für die wahre hält - der sei verflucht.

17. Wenn jemand behauptet, es dürfe für das ewige Heil von Menschen, welche nicht der katholischen Kirche angehören, wenigstens gehofft werden - der sei verflucht.

18. Wenn jemand behauptet, der Protestantismus sei nichts anderes als eine verschiedene Form derselben wahren, christlichen Religion, in welcher man Gott ebenso gefallen könne wie in der katholischen Kirche - der sei verflucht.

24. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe kein Recht und keine Macht, Gewaltmittel anzuwenden - der sei verflucht.

26. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe kein angeborenes und legitimes Recht auf Erwerb und Besitz - der sei verflucht.

55. Wenn jemand behauptet, die Kirche sei vom Staate, der Staat von der Kirche zu trennen - der sei verflucht.

73. Wenn jemand behauptet, kraft eines Zivilvertrages könne auch unter Christen eine wahre Ehe bestehen - der sei verflucht.

Anmerkung: Die Formel “der sei verflucht” (“anathema sit”) wird in jüngeren dogmatischen Werken übersetzt als “der sei ausgeschlossen”. Heute bedeutet das zumindest Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis: bei ernsthaften Kritikern wie Hubertus Mynarek sowieso, aber auch bei harmlosen Naivlingen wie Hans Küng. Doch solange die Kirche die Macht dazu hatte, bedeutete das “anathema sit”: Anklage und Verbrennung als Ketzer - wie bei den Katharern, bei Johannes Hus, Giordano Bruno und vielen anderen Opfern des “Papsttums, vom Teufel gestiftet” (Luther).

 

Geächtete Thesen:

§ I. Pantheismus, Naturalismus und totaler Rationalismus

1. Wenn jemand behauptet, es gebe kein höchstes, allweises und allvorhersehendes, vom Weltall unterschiedenes göttliches Wesen, und Alles sei Gott und habe in sich das eigenste Wesen Gottes - der sei verflucht.

2. Wenn jemand behauptet, Gott wirke nicht auf den Menschen und die Welt ein - der sei verflucht.

3. Wenn jemand behauptet, die menschliche Vernunft sei ohne Bezug auf Gott der alleinige Richter über Wahr und Falsch, Gut und Böse und genüge mit ihren natürlichen Kräften, um das Wohl der Menschen und Völker zu sichern - der sei verflucht.

4. Wenn jemand behauptet, alle Wahrheiten der Religion würden aus der angeborenen Kraft der menschlichen Vernunft fließen; und daher sei die Vernunft die Hauptrichtschnur für die Erkenntnis aller Wahrheit - der sei verflucht.

5. Wenn jemand behauptet, die göttliche Offenbarung sei unvollkommen und daher einem fortwährenden und unendlichen Fortschritt unterworfen - der sei verflucht.

6. Wenn jemand behauptet, der Glaube an Christus widerspreche der menschlichen Vernunft, und die göttliche Offenbarung sei nicht nur nicht nützlich, sondern im Gegenteil schädlich für die Vervollkommnung des Menschen - der sei verflucht.

7. Wenn jemand behauptet, die in der heiligen Schrift berichteten Prophezeiungen und Wunder seien Erfindungen von Dichtern, und im Alten und Neuen Testament seien mythische Erfindungen enthalten - der sei verflucht.

8. Wenn jemand behauptet, die menschliche Vernunft sei dem Glauben ebenbürtig, und daher müssten die theologischen Wissenschaften gleich wie die philosophischen behandelt werden - der sei verflucht.

9. Wenn jemand behauptet, auch die Dogmen der christlichen Religion seien Gegenstand von Naturwissenschaft und Philosophie - der sei verflucht.

10. Wenn jemand behauptet, die Philosophie dürfe sich keiner Autorität, auch nicht derjenigen der Kirche unterwerfen - der sei verflucht.

11. Wenn jemand behauptet, die Kirche dürfe nicht nur nichts gegen die Philosophie erklären, sondern sie müsse sogar die Irrtümer der Philosophie dulden und ihr selbst es überlassen, dass sie sich verbessere – der sei verflucht.

12. Wenn jemand behauptet, die Dekrete des apostolischen Stuhles und der römischen Kongregationen behinderten den freien Fortschritt der Wissenschaft - der sei verflucht.

13. Wenn jemand behauptet, die Methoden und Prinzipien, nach welchen die alten scholastischen Kirchenlehrer die Theologie ausgebildet haben, entsprächen nicht den Bedürfnissen unserer Zeit und dem Fortschritt der Wissenschaften - der sei verflucht.

14. Wenn jemand behauptet, die Philosophie müsse ohne jede Rücksicht auf die übernatürliche Offenbarung betrieben werden - der sei verflucht.

15. Wenn jemand behauptet, es stehe jedem Mensch frei, jene Religion anzunehmen und zu bekennen, welche er im Lichte seiner Vernunft für die wahre hält - der sei verflucht.

16. Wenn jemand behauptet, die Menschen könnten in der Ausübung jedweder Religion den Weg des ewigen Heils finden - der sei verflucht.

17. Wenn jemand behauptet, es dürfe für das ewige Heil von Menschen, welche nicht der katholischen Kirche angehören, wenigstens gehofft werden - der sei verflucht.

18. Wenn jemand behauptet, der Protestantismus sei nichts anderes als eine verschiedene Form derselben wahren, christlichen Religion, in welcher man Gott ebenso gefallen könne wie in der katholischen Kirche - der sei verflucht.

§ IV. Sozialismus, Kommunismus, Geheimgesellschaften, Bibelgesellschaften, klerikal-liberale Gesellschaften

Diese Seuchen werden oft und mit den schwersten Ausdrücken verworfen in der Enzyklika Qui pluribus, 9. November 1846; in der Ansprache Quibus quantisque, 20. April 1849; in der Enzyklika Noscitis et nobiscum, 8. Dezember 1849; in der Ansprache Singulari quadam, 9. Dezember 1854; in der Enzyklika Quanto conficiamur maerore, 10. August 1863:

§ V. Irrtümer über die Kirche und ihre Rechte

19. Wenn jemand behauptet, die Kirche sei keine wahre, vollkommene, völlig freie Gesellschaft, und sie besitze nicht eigene, vom Schöpfer verliehene Rechte, sondern es sei Sache der Staatgewalt, die Rechte und Beschränkungen der Kirche zu bestimmen - der sei verflucht.

20. Wenn jemand behauptet, die Kirche dürfe ihre Hoheitsgewalt nicht ohne Zustimmung der staatlichen Regierung ausüben - der sei verflucht.

21. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe nicht das Recht, dogmatisch zu entscheiden, daß die Religion der katholischen Kirche die einzig wahre Religion sei - der sei verflucht.

22. Wenn jemand behauptet, die Verpflichtung, welche katholische Lehrer und Schriftsteller völlig bindet, beschränke sich nur auf das, was durch unfehlbare Entscheidung als allgemeiner Glaubenssatz vorgelegt wird - der sei verflucht.

23. Wenn jemand behauptet, die römischen Päpste und die allgemeinen Konzilien hätten Rechte der Fürsten usurpiert und auch in der Festsetzung der Glaubens- und Sittenlehre geirrt - der sei verflucht.

24. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe kein Recht und keine Macht, Gewaltmittel anzuwenden - der sei verflucht.

25. Wenn jemand behauptet, jede weltliche Gewalt von Bischöfen sei ihnen von der staatlichen Herrschaft ausdrücklich oder stillschweigend zugeteilt worden und könne deshalb nach Belieben von ihr widerrufen werden - der sei verflucht.

26. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe kein angeborenes und legitimes Recht auf Erwerb und Besitz - der sei verflucht.

27. Wenn jemand behauptet, die geweihten Diener der Kirche und der römische Papst seien von aller Herrschaft über weltliche Dinge auszuschließen - der sei verflucht.

28. Wenn jemand behauptet, ,ohne Erlaubnis der Regierung steht den Bischöfen kein Recht zu, Hirtenschreiben zu veröffentlichen, selbst nicht die päpstlichen - der sei verflucht.

29. Wenn jemand behauptet, Gunsterweise, die der Heilige Stuhl erteilt, seien als ungültig anzusehen, wenn sie nicht durch die Regierung erwirkt oder bekräftigt wurden - der sei verflucht.

30. Wenn jemand behauptet, die Unverletzlichkeit der Kirche und kirchlicher Personen habe ihren Ursprung im staatlichen Gesetz - der sei verflucht.

31. Wenn jemand behauptet, die geistliche Gerichtsbarkeit für Kleriker sei sowohl für Zivil- als auch für Kriminalstraftaten abzuschaffen - der sei verflucht.

32. Wenn jemand behauptet, die Befreiung der Geistlichen vom Militärdienst könne ohne Verletzung des natürlichen Rechtes abgeschafft werden - der sei verflucht.

33. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe nicht die ausschließliche Befugnis, die theologische Lehre zu leiten - der sei verflucht.

34. Wenn jemand behauptet, die Lehre, welche den römischen Papst mit einem freien in der ganzen katholischen Kirche waltenden Fürsten vergleicht, sei ein Relikt des Mittelalters - der sei verflucht.

35. Wenn jemand behauptet, durch Beschluss einer allgemeinen Kirchenversammlung oder durch die Tat der gesamten Völker könne das Papsttum vom Römischen Bischof und von Rom auf einen andern Bischof und eine andere Stadt übertragen werden - der sei verflucht.

36. Wenn jemand behauptet, die Bestimmung einer nationalen Kirchenversammlung lasse keine weitere Erörterung zu, und die weltliche Macht könne eine Abwicklung der Dinge in diesem Sinne verlangen - der sei verflucht.

37. Wenn jemand behauptet, es könnten Nationalkirchen errichtet werden, die der Autorität des römischen Papstes entzogen und von ihr ganz getrennt sind - der sei verflucht.

38. Wenn jemand behauptet, die Willkür der römischen Päpste sei mitschuldig an der Trennung der Kirche in eine morgenländische und eine abendländische - der sei verflucht.

§ VI. Irrtümer über die weltliche Gesellschaft sowohl in sich als in ihren Beziehungen zur Kirche

39. Wenn jemand behauptet, der Staat sei Ursprung und Quelle aller Rechte und verfüge daher über ein unumschränktes Recht - der sei verflucht.

40. Wenn jemand behauptet, die Lehre der katholischen Kirche widerstreite dem Wohl der menschlichen Gesellschaft - der sei verflucht.

41. Wenn jemand behauptet, der staatlichen Gewalt, auch wenn sie von einem ungläubigen Herrscher ausgeübt wird, stehe in Glaubenssachen nicht nur das Erlaubnisrecht zu (exsequatur), sondern auch das Recht der sogenannten "Berufung vom Missbrauch" (appellatio ab abusu) - der sei verflucht.

42. Wenn jemand behauptet, in einem Gesetzeskonflikt zwischen kirchlichem und weltlichem Recht gäbe das weltliche Gesetz den Ausschlag - der sei verflucht.

43. Wenn jemand behauptet, die weltliche Macht dürfe Verträge über kirchliche Rechte, welche in der Vergangenheit mit dem heiligen Stuhl abgeschlossen wurden (Konkordate), auch ohne dessen Zustimmung kündigen und außer Kraft setzen - der sei verflucht.

44. Wenn jemand behauptet, die weltliche Hoheit dürfe sich in Dinge einmischen, die Glauben und Sittlichkeit betreffen, und dabei über Anweisungen urteilen, welche die Hirten der Kirche in Ausübung ihres Amtes als Richtschnur für Gewissensfragen geben - der sei verflucht.

45. Wenn jemand behauptet, die Leitung der öffentlichen Schulen, in welchen die Jugend eines christlichen Staates unterrichtet wird, könne allein der Staatsgewalt zustehen - der sei verflucht.

46. Wenn jemand behauptet, sogar in den theologischen Lehranstalten unterstehe die Lehre der weltlichen Hoheit - der sei verflucht.

47. Wenn jemand behauptet, es sei das Beste, die öffentlichen Schulen der leitenden Gewalt und dem Einfluß der Kirche zu entziehen - der sei verflucht.

48. Wenn jemand behauptet, Katholiken dürften eine Art von Jugendunterricht erhalten, der vom katholischen Glauben getrennt ist und ganz oder überwiegend die Naturwissenschaften sowie die Zwecke des gesellschaftlichen Lebens berücksichtigt - der sei verflucht.

49. Wenn jemand behauptet, die weltliche Macht könne den freien wechselseitigen Verkehr der Bischöfe und Gläubigen mit dem römischen Papst beschränken - der sei verflucht.

50. Wenn jemand behauptet, die weltliche Macht habe das Recht, Bischöfe vorzuschlagen von ihnen zu verlangen, die Verwaltung ihrer Diözesen aufzunehmen, bevor sie vom Heiligen Stuhle ihre kanonische Einsetzung erhalten haben - der sei verflucht.

51. Wenn jemand behauptet, die weltliche Regierung habe die Macht, Bischöfe ihres Amtes zu entheben, und müsse nicht dem römischen Papst in Fragen der Errichtung von Bistümern und Einsetzung von Bischöfen zu gehorchen - der sei verflucht.

52. Wenn jemand behauptet, die Regierung könne aus eigenem Recht das kirchlich vorgeschriebene Alter für die Ablegung der Ordensgelübde von Mönchen und Nonnen ändern, und sie könne Ordensgemeinschaften vorschreiben, niemand ohne ihre Erlaubnis zu den Gelübden zuzulassen - der sei verflucht.

53. Wenn jemand behauptet, der Staat dürfe denen Unterstützung gewähren, die einen religiösen Orden verlassen und ihre feierlich abgelegten Gelübde brechen wollen - der sei verflucht.

54. Wenn jemand behauptet, Könige und Fürsten seien nicht nur der Rechtsgewalt der Kirche entzogen, sondern sie stünden in der Entscheidung von Rechtsfragen über der Kirche - der sei verflucht.

55. Wenn jemand behauptet, die Kirche sei vom Staate, der Staat von der Kirche zu trennen - der sei verflucht.

§ VII. Irrtümer über die natürliche und christliche Sittenlehre

56. Wenn jemand behauptet, die Sittengesetze bedürften nicht der kirchlichen Bekräftigung, - der sei verflucht.

57. Wenn jemand behauptet, Philosophie, Sittenlehre und bürgerliche Gesetzgebung könnten und sollten sich von der kirchlichen Oberhoheit freimachen - der sei verflucht.

58. Wenn jemand behauptet, es gebe keine anderen Kräfte als jene, die der Materie liegen, und alle Sittlichkeit und Ehrenhaftigkeit könne in der Anhäufung von Reichtümern und in der Befriedigung von Genüssen gesucht werden - der sei verflucht.

59. Wenn jemand behauptet, das Recht bestehe in der reinen Tatsache, alle Pflichten der Menschen seien leere Worte und alle menschlichen Handlungen hätten Rechtskraft - der sei verflucht.

60. Wenn jemand behauptet, Oberhoheit (auctoritas) sei nichts anderes als die Gesamtheit stofflicher Kräfte - der sei verflucht.

61. Wenn jemand behauptet, eine erfolgreiche ungerechte Tat bringe der Heiligkeit des Rechtes keinerlei Nachteil - der sei verflucht.

62. Wenn jemand behauptet, es müsse der sogenannte Grundsatz von der Nichteinmischung (de non-interventu) verkündet und beachtet werden - der sei verflucht.

63. Wenn jemand behauptet, man könne rechtmäßigen Herrschern den Gehorsam verweigern, ja auch gegen sie aufstehen - der sei verflucht.

64. Wenn jemand behauptet, der Bruch heiliger Eide sowie verbrecherische, unsittliche Handlungen, die dem ewigen Gesetze widersprechen, seien nicht nur nicht zu tadeln, sondern durchaus erlaubt und lobenswert, wenn sie aus Liebe zum Vaterland geschehen - der sei verflucht.

§ VIII. Irrtümer über die christliche Ehe

65. Wenn jemand behauptet, es gebe keinen Beweis, daß Christus die Ehe zur Würdigung eines Sakramentes erhoben habe - der sei verflucht.

66. Wenn jemand behauptet, das Sakrament der Ehe sei nur eine Zutat zum Vertrag, und das Sakrament bestehe lediglich im Eheschließungssegen - der sei verflucht.

67. Wenn jemand behauptet, die Ehe sei nach dem Naturrecht nicht unauflöslich, und in bestimmten Fällen könne die staatliche Obrigkeit eine Ehescheidung zulassen - der sei verflucht.

68. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe nicht das Recht, Eheschließungen mit Auflagen zu versehen, zu behindern oder zu untersagen, und diese Befugnis stehe allein der weltlichen Macht zu - der sei verflucht.

69. Wenn jemand behauptet, die Kirche habe erst in späteren Jahrhunderten begonnen, Ehehindernisse einzuführen, und zwar nicht aus eigenem Recht, sondern jenes Recht gebrauchend, das von der staatlichen Macht entlehnt wurde - der sei verflucht.

70. Wenn jemand behauptet, die Tridentinischen Regeln, die jene mit dem Banne belegen, welche die Berechtigung der Kirche leugnen, Ehehindernisse aufzustellen, seien entweder keine Glaubenssätze, oder man müsse sie im Sinne jener angeeigneten Rechtsgewalt verstehen - der sei verflucht.

71. Wenn jemand behauptet, die Form der Eheschließung, wie sie das Tridentinische Konzil vorschreibt, sei unverbindlich, wenn das weltliche Gesetz eine andere Form vorschreibt - der sei verflucht.

72. Wenn jemand behauptet, Bonifatius VIII. habe zuerst behauptet, dass das Gelübde der Keuschheit bei der Weihe die Ehe ungültig mache - der sei verflucht.

73. Wenn jemand behauptet, kraft eines Zivilvertrages könne auch unter Christen eine wahre Ehe bestehen - der sei verflucht.

74. Wenn jemand behauptet, Ehe- und Verlobungssachen gehörten ihrer Natur nach vor ein weltliches Gericht - der sei verflucht.

Bemerkung: Hier können auch zwei andere Irrtümer einbezogen werden, nämlich über die Abschaffung der Ehelosigkeit der Geistlichen und über den Vorrang des ehelichen Standes über den Stand der Jungfräulichkeit. Davon wird der eine zurückgewiesen im Apostolischen Briefe Qui pluribus, vom 9. November 1846, der zweite im Apostolischen Briefe Multiplices inter, vom 10. Juni 1851

§ IX. Irrtümer über die weltliche Herrschaft des Römischen Papstes

75. Wenn jemand behauptet, die Vereinbarkeit der weltlichen mit der geistlichen Macht sei in der Christenheit strittig - der sei verflucht.

76. Wenn jemand behauptet, die Abschaffung der weltlichen Macht des apostolischen Stuhls würde zur Freiheit und zum Glück der Kirche sehr viel beitragen - der sei verflucht.

Bemerkung: Neben diesen ausdrücklich gekennzeichneten Irrtümern werden einschließlich noch manch andere zurückgewiesen, nämlich durch Vortragen und Erklären der Lehre über die weltliche Herrschaft des Römischen Papstes, an die sich alle Katholiken ganz fest halten müssen.

Diese Lehre wird klar auseinandergesetzt in der Ansprache Quibus quantisque, 20. April 1849 (4); in der Ansprache Si semper antea, 20. Mai 1850 (6); im Apostolischen Briefe Cum Catholica ecclesia, 26. März 1860 (20); in der Ansprache Novos et ante, 28. September 1860 (22); in der Ansprache Iamdudum cernimus, 18. März 1861 (24); in der Ansprache Maxima quidem, 9. Juni 1862 (26).

§ X. Irrtümer, die den heutigen Liberalismus betreffen

77. Wenn jemand behauptet, es sei nicht mehr zeitgemäß, die katholische Religion als einzige Religion eines Staatswesens unter Ausschluss aller übrigen Religionen anzuerkennen - der sei verflucht.

78. Wenn jemand behauptet, es sei lobenswert, wenn auch in katholischen Ländern Einwanderer öffentlich ihre eigene Religion ausüben dürfen - der sei verflucht.

79. Wenn jemand behauptet, die staatlich garantierte Religionsfreiheit und das Recht, Meinungen und Gedanken frei und öffentlich zu äußern, führten nicht notwendig zur Verderbnis der Sitten - der sei verflucht.

80. Wenn jemand behauptet, der römische Papst solle sich mit dem Fortschritt und dem Liberalismus der modernen Zivilisation versöhnen - der sei verflucht.

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